Meine Damen und Herren, ich werde oft gefragt: Wie soll ich mich gegenüber behinderten Menschen verhalten? Unsicherheit macht sich breit, wenn man einem Menschen mit Down-Syndrom oder einem gehörlosen Menschen begegnet. Soll man sie ansprechen? Aber wie? Oder sollte man gar helfen?
Helfen heißt nicht unbedingt, für „Licht ins Dunkel“ zu spenden. Es braucht keinen Zuckerguss an Mitleid, mit dem man als behinderter Mensch übergossen wird, oder man sollte auch nicht einfach wild drauf los helfen. Zuerst nachfragen.
Ich erlebe die Verunsicherung täglich. Viele Fragen über mich landen nicht bei mir, sondern bei meiner Frau oder der parlamentarischen Mitarbeiterin: Wie kann er trotz Beatmungsgerät sprechen? Wann soll man helfen und wann nicht? Wie schreibt er seine Texte ohne die Hände bewegen zu können? Und wie macht man das mit der Begrüßung? Leute, die mich noch nicht kennen, strecken mir zur Begrüßung die Hand entgegen. Das Händeschütteln bleibt aber aus. Zurück bleibt die ausgestreckte Hand, die hilflos in der Luft hängt. Momente der berührten Peinlichkeit, auf beiden Seiten.
Festrede von mir zum 60-jährigen Jubiläum des Katholischen Familienverbandes am 20.4.2013 bei einem Festakt in Wien.
Hier sehen sie das Video: Teil 3: Wie begegnen wir Menschen mit Behinderungen?
Eine kleine Gebrauchsanleitung für den Umgang mit mir, der auch für andere ähnliche Begegnungen gilt: Reden Sie mit mir, ich kann ja sprechen. Fragen einfach stellen. Blöde Antworten kommen sowieso. Vor dem Helfen immer erst fragen. Und das mit dem Händeschütteln: einfach auf meine Hand greifen. Meine Kolleg/innen im Klub klopfen mir auch kollegial auf die Schulter.
Im Film „Ziemlich beste Freunde“ hält der Assistent dem Rollstuhlfahrer, der weder Arme noch Beine bewegen kann, ein Stück Schokolade vor die Nase. Dem Rollstuhlfahrer läuft bereits das Wasser im Mund zusammen. Aber das Stück Schokolade verschwindet im Mund des Assistenten mit den Worten: „Keine Arme, keine Schokolade“. Ein Leben in totaler Abhängigkeit von anderen Menschen erscheint Ihnen sicherlich als lebensunwürdig.
Es wird Sie überraschen, aber vielleicht auch nicht – wenn Sie mich näher kennen. Ich kann mich als durchaus glücklichen Menschen bezeichnen, obwohl ich meine Arme und Beine nicht bewegen kann, rund um die Uhr auf ein Beatmungsgerät angewiesen bin und mit meinen schlechten Augen keine Texte lesen kann. Ich bin glücklich, weil ich mich glücklich schätzen kann, von wertvollen Menschen umgeben zu sein. Wenn mein 5-jähriger Sohn mit leuchtenden Augen erzählt, dass er Architekt werden möchte, um U-Bahnen mit Rampen zu bauen, wenn meine 11-jährige Tochter mit mir „Mensch ärgere dich nicht“ spielt und die Würfelzahlen vorliest und wenn meine Frau immer für mich da ist, auch in besonders schwierigen Lebenssituationen, dann bedeutet das für mich Familien-Glück. Zu unserer erweiterten Familie gehören auch die zehn persönlichen Assistentinnen, die mich anziehen, die Beatmungskanüle absaugen, am Computer meine Texte tippen und mir zu essen geben. Ab und zu auch ein Stück Schokolade. Letzens meinte eine Assistentin lächelnd, während sie mir eine Mozartkugel in den Mund schob: „Jetzt gebe ich dir die Kugel“.
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