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Hatten Sie oft schlechte Erlebnisse mit ihrer Akzeptanz?

Besonders ärgerlich, aber im Nachhinein lustig ist es, wenn Menschen über mich in der dritten Person reden. Beispielsweise als Judit und ich einst beim Pfarrgespräch waren. Der Pfarrassistent fragte Judit:“ Und er will heiraten?“. Darauf ich:“ Ja, er möchte heiraten.“

Ein weiteres Erlebnis: Ein Fahrtendienstfahrer zeigte auf mich und fragte meine Assistentin: „Wo sollen wir es hinbringen?“ Ich antwortete für sie: „Bitte ins Parlament!“

 

Werden Sie manchmal nicht ernstgenommen?

Wenn ich in ein Geschäft gehe und mir etwas kaufen will, redet der Verkäufer oft nicht mit mir, sondern mit meiner persönlichen Assistentin. Neulich kaufte ich mir eine Elektrozahnbürste. Meine Assistentin und ich kannten uns mit den Geräten nicht gut aus, so sprach ich einen Verkäufer an. Er nickte, wendete seinen Blick von mir weg hin zur Assistentin und erklärte ihr die Geräte. Als sie sagte, dass ich das Gerät kaufen möchte, war ihm das peinlich, aber er sprach dennoch weiterhin mit ihr. Nur einmal habe ich das Gegenteil erlebt: Meine Assistentin wollte ein Brillenputztuch kaufen. Die Assistentin fragte die Optikerin nach dem Tuch für ihre Brille. Die Optikerin erklärte aber nur mir welches Tuch das Beste ist. Der verärgerten Assistentin erklärte ich: „Die hat sicherlich einen Kurs im Umgang mit behinderten Menschen gemacht!“ 😉

 

Können Sie mittlerweile gut mir Ihrer Behinderung umgehen?

Humor hilft mir. Man muss über sich selbst lachen können.

Mein Leben ist gut eingespielt und die Assistentinnen unterstützen mich perfekt. Allerdings merke ich immer wieder, wie Kleinigkeiten meine Lebensqualität drastisch einschränken können. Meine Assistentinnen dichten durch viele Tricks mit Kompressen und Wattestäbchen mein Loch im Hals, rund um die Atemkanüle ab. Nur so kann ich gut sprechen, da die Luft nicht verloren geht und zu den Stimmbändern strömen kann. Verschiebt sich dieses Kunstwerk, pfeife ich wie ein leckes Schlauchboot, das ist nicht nur ärgerlich, ich kann dann auch nur schlecht sprechen. Besonders vor großen Reden ist das ein Problem. Aber die Assistentinnen haben Geduld und basteln so lange am Abdichtungskunstwerk herum, bis ich wieder ein dichter Politiker bin.

 

Haben Sie sich jemals minderwertig gefühlt?

Ja sicherlich. Besonders wenn ich im Sommer mein T-Shirt und meine lange Hose ausziehe. Mit meinem krummen Rücken, den dünnen und vernarbten Beinen, fühle ich mich gegenüber sportlichen und braun gebrannten Körpern minderwertig. Aber mein Körper ist auch irgendwie cool, sehr individuell und in seiner Art ein Kunstwerk. Als ich vor vielen Jahren ein Röntgenbild mit meiner doppelt verdrehten Wirbelsäule sah, war ich richtig begeistert. Denn wenn man nicht wüsste wie eine normale Wirbelsäule aussieht, würde man meine schön geschwungene Wirbelsäule wohl eher als perfekt empfinden.