DAR ES SALAAM – BANDARI ES SALAAM – HAFEN DES FRIEDENS

 

Die Hand kam aus dem Nichts; zwischen hunderten von Menschen griff sie nach meiner Tasche. Aus dem Augenwinkel sah ich wie sie die Ausbuchtung von meinem Fotoapparat zu streicheln schien. Ich reagierte sofort, zog die Tasche noch näher an meinen Körper. Ich schaute hinab, tastete nach meinen Dingen, alles war wie zuvor. Erst Minuten später realisierte ich, dass mit etwas Spitzem ein Schlitz in meinen Beutel geschnitten worden war. Dieser Schlitz war glücklicherweise zu klein, um meinen Fotoapparat oder Anderes daraus zu entwenden. 

 

Die vergangene Woche verbrachte ich am Indischen Ozean in Dar es Salaam. Der größten Stadt Tansanias mit rund 3,2 Millionen Einwohnern. Die Menschen erscheinen gehetzt, das Aggressionspotenzial ist höher, das Leben stressiger. 

In Kariakoo, dem Viertel mit dem großen Lebensmittel- und Kleidungsmarkt, der sich über viele Straßenquadrate hinzieht, bemerkte ein Kanga und Kitenge Verkäufer (typische Kleidungsstoffe vorwiegend für Frauen) meine beschädigte Tasche. Sogleich rief er mich zur Vorsicht auf und behauptete im Nebensatz, dass so etwas in Europa nicht passieren würde. Weiße Menschen wären keine Diebe; sie stehlen nie! Das überraschte mich und ich versicherte ihm, dass es auch in europäischen Großstädte zu vermehrter Kriminalität käme. In der Folge berichtete ich von verschiedenen Ereignissen in unterschiedlichen europäischen Städten. Nach einer halben Stunden, voller Erstaunen aber auch Gelächter, verabschiedeten wir uns wie Freunde. Meinen Beispielen und Aussagen jedoch, konnte oder wollte er keinen rechten Glauben schenken.

 

Großes Glück hatte ich mit den Menschen, die mir Unterkunft boten. In den ersten Tagen begann ich den Morgen im Kanga gekleidet, auf der sandigen Nebenstraße mit zwei Wassereimern. Ich übernachtete bei einem lokalen jungen Mann, der sein Geld mit den verschiedensten Jobs verdient. Er arbeitet sowohl als Designer, Stoffverkäufer, Musiker als auch als Computer-Reparateur und Angestellter in einem NGO-Grundschulprojekt in der Nähe von Dar es Salaam. Wir teilten uns ein 10qm Zimmer im Hinterhof eines Grundstücks mit weiteren zu vermietenden Einzelzimmern. Gekocht, gewaschen bzw. gelebt wird vorwiegend auf dem Hofgelände. Elektrizität kaufen die Menschen mit ihrem Handy und der Nummer des Stromzählers. Wasser konnten wir an verschiedenen Wasserleitungen in der Nachbarschaft bekommen. Häufig sind es Frauen, die eine Wasserleitung ihr Eigen nennen. Eimerweise, für 50tsh das Stück (umgerechnet ca. 2,5cent), können die Anwohner des Viertels Wasser kaufen. Die Öffnungszeiten variieren. Nachts wird ein Schloss vor den Wasserhahn gehängt. Jeden Morgen begab ich mich also auf die Suche nach einer geöffneten Wasserleitung und traf dabei auf die verschiedensten Frauen und Mädchen – wir teilten die jungen Morgenstunden und die ersten Sonnenstrahlen. Erstaunen erntete ich nicht nur, weil ich überhaupt zur Wasserleitung gegangen war sondern auch weil ich in der Lage war zwei gefüllte Eimer auf einmal zu tragen – in jeder Hand einen. Obgleich ich viel mehr Grund zum Staunen hatte. Jede Frau und jedes Mädchen, trug einen vollen Wassereimer auf dem Kopf und den zweiten in der Hand. Das auszuprobieren wagte ich nicht. 

 

Den zweiten Teil der Woche verbrachte ich auf dem Gelände der „University of Dar es Salaam“. Der größten und ältesten Uni des Landes. Sie besteht seit 1970 – zuvor war sie ein Teil des Verbundes der „University of East Africa“, zu dem außerdem die Universitäten von Uganda und Kenia gehörten. Mit internationaler Unterstützung finden bis heute stetig Ausbauten und Erweiterungen statt. Das Gelände ist sehr schön. Es ist groß, sehr grün und hügelig-bergig. Es gibt unzählige, günstige Cafeterien, kleine Bars bzw. Cafés mit typisch afrikanischer Küche. Es gibt einen Sportplatz und verschiedene Bereiche zum gemeinsamen Lernen. Die Unterkünfte sind einfach. Es gibt zu wenige und sie sind nicht billig. Nicht selten teilen sich daher mehrere StudentInnen gleichzeitig das Zimmer und auch das Bett. Nicht so in den Gebäuden der internationalen StudentInnen. Dort sind die Räume mit zwei Betten, zwei Schreibtischen und zwei Schränken, mit allem ausgestattet was nötig ist. Einzig an die wiederkehrenden Strom- und Wasserausfällen gilt es sich zu gewöhnen. Ich hatte zusätzlich die Möglichkeit eine Freundin in eine ihrer Vorlesungen zu begleiten – Kisuaheli für Fortgeschrittene. Wir waren eine kleine Gruppe und der Unterricht verlief sehr interaktiv. Die Vorlesungs- bzw. Seminarräume sind von unterschiedlicher Größe. Die meisten der Räume sind mit einer einfache Tafel ausgestattet. Besichtigen konnte ich auch die moderneren Vorlesungsräume mit Beamer und Mikrofon-Anlage. Auf dem ganzen Gelände bewegt man sich vorwiegend über Treppen und unwegsamen Trampelpfaden fort. Für behinderte Studentinnen eine große Hürde. Zwei Behindertenparkplätze konnte ich ausfindig machen, gefolgt von einer Rampe. Außerdem sind mir drei blinde StudentInnen, mit Weißem Langstock und in Begleitung, über den Weg gelaufen. Die Ausgangslage für ein barrierfreies Studium ist bisher nicht sehr gut.

 

FOTO: In Bagamoyo, einer kleinen Stadt weiter nördlich von Dar es Salaam, fragte ich den Bajaj-Fahrer (eine Art Tuk-Tuk), ob ich ans Steuer dürfte. Er lächelte mich an und sagte sofort: „Karibu!“. Das war die Einladung, mich auf den Vordersitz zu begeben. Prinzipiell funktioniert ein Bajaj ähnlich wie ein Moped oder Motorrad, nur dass man mit dem rechten Fuß bremst und mit der linken Hand die Gänge wechselt. Ich passte mich schnell an und nach ein, zwei holprigen Kurven brauste wir zusammen die Straße entlang. Falls der Fahrer Angst hatte, zeigte er sie nicht. – Bereits am Tag meiner Ankunft in Tansania wünschte ich mir einmal diese Gelegenheit zu haben!