Mit Helene Jarmer, Behindertensprecherin der Grünen hielt ich 2012 meine 2. Aschermittwochrede im Parlament. Das gemeinsame Ziel: frischen Wind in die Politik bringen! Lesen Sie nachfolgend meine Rede oder sehen Sie sich einfach die Videos der Übungsrede an:
Eine Rede muss gut vorbereitet sein
Vorteile eines behinderten Politikers
Präimplantationsdiagnostik und embryobatische Indikation
Heilige Burjan und die Korruption
Begrüßung
Sehr geehrte Damen und Herren!
Herzlich willkommen zu unserer zweiten Aschermittwoch-Rede. Zu einer Aschermittwoch-Rede der anderen Art.
– Denn hier geht´s nicht um rechte Sprüche, sondern um gerade Sätze.
– Hier geht´s nicht um rote Schädel, sondern um kluge Köpfe (Ich begrüße an dieser Stelle übrigens besonders KO Kopf).
– Hier geht´s nicht um abgestandenes Bier, sondern um frischen Wind.
Wir wollen am Aschermittwoch ein bisschen Wind in die Politik bringen – dorthin, wo sich gar nichts bewegt, wo nichts weitergeht, aber auch dorthin, wo sich Dinge in die falsche Richtung entwickeln.
Eine Illusion, sagen Sie? Kein Problem, sage ich. Denn dank meiner Beatmungsmaschine habe ich einen langen Atem. Einen sehr langen Atem. Während Andere nach 15 Stunden im Parlament nur noch hecheln, bringt mich nichts außer Atem.
Vielleicht hätten wir die Reformpaket-Verhandler alle mit solchen Maschinen ausrüsten sollen. Vielleicht auch nicht. Denn dann würden die noch immer ohne Ergebnis herumsitzen.
Schuldenkrise
Meine Damen und Herren, die zentrale Frage für uns alle ist natürlich: Wie kommen wir wirklich aus der Schuldenkrise heraus? Ich sage Ihnen: Wir müssen sparen, aber an der richtigen Stelle. Und das heißt: oben. Ganz oben. Das ist nämlich alles eine Frage des richtigen Haarschnitts. Ich hab den Haircut schon abgekriegt. Gestern hat mir meine Frau in der Dusche die Haare abgeschnitten. Die Einstellung 1,5 Zentimeter auf der Haarschneidemaschine ist kaputt, hat sie gegrinst, machen wir halt 7 Millimeter. Also 50 Prozent weniger.
Ich hoffe, Ihnen gefällt dieser 50%-Haircut im griechischen Stil. Mitten im Winter ist so ein griechischer Haircut natürlich schon ein bisschen hart. Meine blaue Rettungsschirmmütze mit den gelben Sternen reicht da nicht aus. Hoffentlich schenkt mir bald jemand eine ordentliche, wirklich warme Wollmütze. Made in Germany natürlich. Nicht unbedingt schick, aber wirksam. Aber die wollen zur Zeit Alle.
A propos schick. Wir dürfen uns ja nicht mehr mit dem schicken Triple A schmücken. Manche in der Politik nehmen das nicht wirklich ernst. Werner Faymann hat´s zwar nicht gesagt, aber gedacht hat er sich´s wahrscheinlich schon: Was brauchen wir die drei A? Jahrzehntelang sind wir mit nur einem A-Pickerl am Auto in Europa unterwegs gewesen – und es ist auch nix passiert.
Das Triple A ist ja in Wirklichkeit ein wahres Wundermittel. Es ist erstaunlich, welche Reformen plötzlich möglich werden. Man sollte Triple A in der Apotheke verkaufen. Auch, wenn die roten Konsumentenschützer folgenden Warnhinweis gesetzlich verankern wollen: „Achtung, Triple A kann bei Politikern zu plötzlichem Hyper-Reformeifer führen. Stellen Sie den Patienten mit einer Arbeitsgruppe ruhig und verhindern Sie seinen Kontakt mit roten Zahlen bzw. der Wirklichkeit.“
Manche sind natürlich – wie bei den Antibiotika – ohnehin schon Triple A-resistent. Frei nach der Devise: Was kümmern mich die Schulden meiner Kinder, die ich heute mach´? Hauptsache ich lebe in Saus‘ und Braus‘. Schauen wir also mal, wie der Triple-A-Wirkstoff gegen die Schuldengrippe in Österreich wirklich wirkt.
Inzwischen rollen wir halt am Budgetpfad weiter. Das ist gerade mit einem Rollstuhl nicht ungefährlich. Der Pfad mit dem ganzen Geldschotter gerät leicht ins Rutschen, obwohl Finanzministerin Fekter die Marie streng bewacht. Obwohl viele blind unterwegs sind, fehlt es an einem Blindenleitsystem. Rechts eine steile Börsenverlusteschlucht, links ein tiefes, rotes Schuldenloch – da kann man leicht hineinstürzen, wenn man falsch steuert oder die Schuldenbremse nicht findet.
Manche wollen auf diesem gefährlichen Pfad bekanntlich noch Gas geben. Sie wollen weitere Schulden machen, die wir dann mit noch teureren Krediten bezahlen müssten. Die Idee war nicht einmal im Fasching lustig. Sie ist verrückt. Das würde uns in den Abgrund reißen – und besonders Menschen treffen, für die ein funktionsfähiger, aktiver und wirksamer Staat besonders wichtig ist. Wer die Schulden bremst, stärkt auf Dauer nämlich den Staat. Der macht ihn handlungsfähig. Und nicht umgekehrt.
Was also tun, meine Damen und Herren? Wie gesagt: Fasching war gestern. Ab heute wird es wieder ernst. Und deshalb mache ich heute einige ernste Vorschläge.
Pensionen und Hilfsmittelversorgung
Frühpensionen sind eine österreichische Spezialität. Was glauben Sie ist das früheste Pensionsalter? 55? 40? 30? Nein, es werden schon mit 18 Jahren Leute in Pension geschickt. Oft gleich nach einem Motorradunfall – Querschnittslähmung, Krankenhausaufenthalt, Frühpension. Der Antrag auf Rehabilitation ist gleichzeitig ein Antrag auf eine Invalidenrente. Mit 18 ein Frührentner ist eine menschliche Katastrophe. Man raubt Jugendlichen die Lebensperspektiven. Statt Frühpension braucht es eine Lebens- und Arbeitsvision!
Mit dem neuen Reformpaket, das dringend notwendig war, sollte das Geschichte sein. Rehabilitation statt Pension heißt es jetzt. Aber setzen wir es auch richtig um! Ein neues Etikett ist nett, aber noch keine Reform. Trauen wir behinderten Menschen jetzt wirklich etwas zu, auch wenn sie im Rollstuhl sitzen, auch wenn sie gehörlos, blind oder lernbehindert sind. Jeder soll entsprechend seinen Fähigkeiten etwas leisten dürfen. Hier ist das AMS gefordert!
Wir behinderte Menschen brauchen nicht das Triple A – armes Hascherl, ausgesondert, arbeitslos – , sondern das Triple B: barrierefrei, beschäftigt und selbst-bestimmt leben.
A propos Rekordwerte: Wissen Sie, was die teuerste WG in Österreich ist? Die Lebensgemeinschaft von Blecha und Khol. Der Seniorenrat bekommt jährlich 1,7 Millionen Euro aus dem Sozialbudget. Dafür blechen wir Steuerzahler! Damit möchte ich keine persönliche Bereicherung in den Raum stellen. Nein, damit es den beiden Präsidenten persönlich gut geht, werden ja ohnehin jährlich ihre Spitzenpensionen erhöht, da sie ordentlich auf den Tisch hauen.
Jetzt ist auch einmal für mich Zeit, auf den Tisch zu hauen (Assistentin nimmt meinen Arm und schlägt ihn auf den Tisch).
Wir müssen runter mit den Schulden. Und rauf mit der Solidarität. Pensionisten leisten in den kommenden beiden Jahren einen Solidarbeitrag, dafür wird der Pflegefonds um zwei Jahre bis 2016 gesichert. Das ist der richtige Weg und sollte weiter geführt werden. Denn 90% aller Pflegegeldbezieher sind über 60 Jahre alt. Wir brauchen aber auch zukunftsweisende Reformschritte in Bildung, dem Gesundheitssystem und in der Verwaltung beispielsweise bei der Hilfsmittelversorgung.
Beispiel:
Der Rollstuhl ist defekt und es wird dringend ein neuer gebraucht. Bis man zu einem neuen kommt, braucht es oft bis zu einem Jahr. Man muss mit dem Ansuchen von Pontius zu Pilatus laufen. Aber laufen geht sowieso nicht und der Rollstuhl ist defekt. Die Gebietskrankenkasse verweist auf die PVA, die PVA an das
Bundessozialamt, das Bundessozialamt an das Land und das Land an die Gemeinde und diese an Licht ins Dunkel. Überall muss man ansuchen, begründen und überall sind Beamte mit der neuerlichen Prüfung beschäftigt. Satt dieser Verwaltung Grotesk, fordere ich eine Verwaltung nach dem Prinzip One Desk. Die Stelle wo man ansucht, prüft das Anliegen und klärt mit den anderen Stellen die Mitfinanzierung. Das wäre eine gute Hilfsmittelversorgung und eine echte Verwaltungsreform, im Sinne behinderter Menschen.
Schulische Inklusion
A propos Zukunft. Am Minoritenplatz 5 sitzt die Unterrichtsministerin Schmied und schmiedet die Zukunft der Schule. Sie fordert eine Schule für alle, also eine Schule all-inclusive. Doch unter „alle“ versteht sie behinderte Kinder allerdings nicht – die sollen weiterhin in die Sonderschule gehen. Weil es für sie das Beste ist und weil es schon immer so war. Hören wir immer. Ich kann das nicht mehr hören. Inklusion für nicht-behinderte SchülerInnen, Exklusion und Aussonderung für behinderte SchülerInnen. Die gemeinsame Schule für alle soll laut Schmied jedenfalls ohne behinderte Kinder stattfinden, für die gibt es ja ohnehin die besonders sonderbare Ghettoschule.
Die UN-Konvention für die Rechte behinderter Menschen sieht jedoch eine gleichberechtigte Schule für wirklich alle Kinder vor. Behinderte und nicht-behinderte Kinder sollen gemeinsam lernen, leben und die Grundlage für eine gleichberechtigte Gesellschaft sein. Die Fakten sprechen für die schulische Inklusion: Nur 1% aller SchülerInnen sind wirklich behindert, 3 bis 6% aller SchülerInnen gehen jedoch in eine Sonderschule. Die Differenz ist rasch erklärt: 28% aller SonderschülerInnen haben einen Migrationshintergrund. Die bildungspolitische Botschaft hört sich so an: Wer schlecht sprechen Deutsch oder wer kommen aus Bildungsschicht ferner, müssen gehen in Schule besondere. Ohne Perspektiven Beruf große. Is halt so, kann man nix machen. Die SPÖ argumentiert mit der Wahlfreiheit von Eltern. Doch ich kenne keine Eltern, die ihr Kind freiwillig in eine Aussonderungsschule ohne Perspektiven geben würden. Aber die Ressourcen sind ungleich verteilt. Beispiel Kärnten: 423 Dienstposten für alle sonderpädagogischen Angebote werden vom BMUKK zur Verfügung gestellt. Die Sonderschulen bekommen 247 Lehrerposten, für 490 behinderte Kinder; für die gesamte Integration des Landes bleiben 176 Lehrerposten für 1600 behinderte SchülerInnen.
Darum sage ich klar: Frau Minister, schmieden sie eine all-inclusive Schule mit behinderten Kindern. Bündeln Sie Ressourcen und machen sie ein qualitativ hochwertiges Inklusionssystem. Besondere Kinder brauchen keine besondere Schule der Ausgrenzung sondern gleichberechtigte Teilhabe. Hören Sie es auch? Die Schulglocke läutet. Es ist Schulschluss für die Sonderschule. Schulschluss für immer.
Und übrigens: Inklusion beginnt im Lehrerzimmer. Die pädagogischen Hochschulen müssen sich für behinderte StudentInnen öffnen. Die Schule braucht die besten LehrerInnen und diese sind auch im Rollstuhl zu finden oder können zufällig nicht hören oder sehen. Nicht jede LehrerIn, die derzeit in der Klasse steht ist dazu auch geeignet. Eine körperliche Behinderung wäre da oft die kleinste Behinderung.
Blinde Richter
Sie kennen die legendäre Frage eines Politikers genau: Was wor mei Leistung? Behinderte Menschen würden anders fragen: Was derf i leisten?
Das Justizministerium sagt, dass ein blinder Richter nicht möglich ist, der kann sich ja kein objektives Bild von der Wirklichkeit machen. Eine blinde Tirolerin hat es probiert, immerhin hat das Parlament 2006 im Gleichstellungspaket beschlossen, dass blinde Richter möglich sein sollen. Die Richteranwärterin sagt heute, dass ihr von der Justiz alle möglichen Steine in den Weg gelegt worden sind. Auch nicht die feine Art. Vielleicht ein Sehtest? Jedenfalls wurde sie letztendlich abgelehnt. Eben, weil sie sich kein objektives Bild machen kann. Aber in Deutschland gibt es 60 blinde Richter und in Großbritannien gab es sogar einen blinden Minister.
Ich glaube, dass sich eine blinde Richterin ein objektiveres Bild von Karl-Heinz Grasser machen könnte, weil sie nicht von seiner Schönheit geblendet wird. Und: Justitia im Parlament urteilt bekanntlich blind, mit verbundenen Augen. Nur so kann man sich ein objektives Bild von der Wahrheit machen.
ORF
Und wenn wir schon von Bildern und Berufen sprechen: Mit einem Rollstuhl ist es ziemlich schwer, die Karriereleiter empor zu klettern. Zum Beispiel die beim ORF. Keine Sorge, ich will nicht Büroleiter am Küniglberg werden. Da hätte ich ja dauernd Laura im Ohr. Das ist wirklich behindernd.
Aber Tatsache ist: Der ORF erfüllt die Einstellungspflicht von behinderten Menschen nicht. Österreichs Leitmedium leitet uns auch in diesem Punkt auf den falschen Weg. Dabei hätte ich gar nicht so wenige Ideen für ein Fernsehprogramm für wirklich alle:
– “Licht ins Dunkel“ wird z.B. umbenannt in „Nicht ins Dunkel“,
– der Kaiser schafft die Abschaffung von Barrieren in ganz Österreich an,
– es gäbe Moderationen auch in Gebärdensprache,
– einen ZiB-Moderator im Rollstuhl,
– ein neues Talkradio „Blind date“ mit einer blinden Moderatorin,
– eine Kochsendung nicht mit einem verhaltensauffälligen, sondern mit einem lernbehinderten Koch,
– einen blinden Seitenblicke-Moderator, für den dann die Arbeit auch erträglicher sein dürfte
– und vieles mehr.
Das alles würde unser Österreich-Bild ein bisschen breiter und offener machen. Aber diesbezüglich setzt man im ORF ja auf Dolly Buster – wie die Privat-Sender vor vielen Jahren. Echt spannend. Echt öffentlich-rechtlich. Echt gebührenfinanziert.
Präimplantationsdiagnostik und embyropatische Indikation
Liebe Aschermittwochs-Gäste,
ich habe zuerst über das eigenartige Gleichheitsverständnis in der SPÖ-Bildungspolitik gesprochen. Über die Schule für alle, die dann doch nicht allen offensteht.
In der SPÖ herrscht aber auch ein ganz eigenartiges Gleichheitsverständnis in Bezug auf Leben und Lebenschancen. Die SPÖ verlangt nämlich die Einführung der Präimplantationsdiagnostik (PID) ohne wenn und aber! Das ist pure biologistische Politik, das ist frühe Selektion: nach gut und schlecht, behindert und nicht behindert, nach Bub oder Mädchen, nach lebenswertem und unwertem Leben.
Die Selektion nach Geschlecht wird übrigens gendermäßig korrekt mit family balancing begründet: wer zwei Mädchen hat, soll dann endlich auch einen Buben bekommen – einen Stammhalter. Die SPÖ will die PID auch generell bei der in vitro Fertilisation anwenden. Damit wir alle künftig auf Nummer sicher gehen. Damit wir in einer schönen, neuen Designer-Baby-Welt leben können. Damit es einmal niemanden mehr gibt, der einen mit alternativen Aschermittwoch-Reden nerven kann.
Die Gesundheitssprecherin der SPÖ forderte in einer Rede im Parlament sogar die Einführung der PID, da man keine „Schwangerschaft auf Probe“ haben wolle. Was ist das für ein Denken? Ein Kind nur dann zur Welt zu bringen, wenn es perfekt ist. Damit wird mir ganz anders. Eigentlich komisch, dass die SPÖ sonst das rechte, völkische Denken kritisiert. Und irgendwie unglaubwürdig.
Übrigens: Die späte Selektion gibt es bereits, sie heißt embryopathische Indikation. Bei Verdacht auf eine Behinderung darf bis zur Geburt abgetrieben werden. Nach der 22. Lebenswoche ist der Embryo überlebensfähig. Da das aber nicht das erwünschte medizinische Ergebnis ist, setzt man Kaliumchloridspritzen ein. Unter Ultraschallsicht dringt der Arzt mit einer Nadel über die Bauchdecke der Schwangeren in die Gebärmutter und die Fruchtblase ein. Über die Nabelschnurblutgefäße werden dem ausgewählten Fötus zunächst schmerzstillende Medikamente verabreicht. Dann erfolgt die Injektion von Kaliumchlorid in das fetale Herz. Der Herzstillstand tritt innerhalb weniger Minuten ein. Im Falle einer Mehrlingsschwangerschaft verbleibt der abgetötete Fötus bis zur Geburt in der Gebärmutter, sollte er nicht zuvor vom Körper der Schwangeren resorbiert worden sein.
In Deutschland gibt es jährlich 150 Spätabtreibungen. In Österreich gibt es keine Statistik, wir wollen nicht hinschauen, lieber wegschauen und schweigen. Die Kaliumchloridspritze wird übrigens auch zum Einschläfern von Haustieren und bei der Vollziehung der Todesstrafe in den USA eingesetzt. Nichts Anderes kann eine PID für frühes Leben bedeuten.
Ich habe schon Schwierigkeiten mit der Zasterfahndung, mit der man den sogenannten Reichen – oder wen auch immer man dafür hält – auf den Zahn fühlen will. Umso schlimmer ist eine genetische Rasterfahndung nach Leben, das vielleicht ein bisschen aus der Norm fällt.
Aber was ist schon normal? Was ist schon der Durchschnitt? Das fragt sich übrigens auch der Genetiker Markus Hengstschläger in seinem neuen Buch „Die Durchschnittsfalle“. Er plädiert darin für Abweichler und Auffaller, weil sonst alles beim Alten bleibt und kompletter Stillstand herrscht. In diesem Punkt bin ich mit ihm ganz und gar einer Meinung. Und in diesem Sinn verspreche ich Ihnen, dass wir weiterhin abweicheln und auffallen werden – und uns dafür einsetzen, dass es noch mehr Abweichler und Auffaller gibt.
Selige Burjan und die Korruption
Nachdem ich Ihnen jetzt gerade ein politisches Versprechen gegeben habe: Kommen wir zurück zur österreichischen Politik. Hildegard Burjan war die erste ÖVP Abgeordnete, die selig gesprochen worden ist. Wahrscheinlich wird es auch die letzte Abgeordnete bleiben, denn ob das ein jetziger Politiker schafft? Naja. Ich habe Kardinal Schönborn gefragt, welche Punkte erfüllt werden müssen, damit man als Politiker selig gesprochen wird. Er meinte: „Wunder wirken, Humor haben und nicht zurück schlagen.“ Der letzte Punkt ist schon erfüllt, zurückschlagen geht nicht. Mit Humor komme ich vielleicht auch halbwegs über die Runden. Bei den Wundern in der Politik sieht es aber schlecht aus, wobei ich mich fast täglich wundere was alles nicht geht.
Aber Kollegin Burjan ist jetzt selig gesprochen und man kann sie als Fürsprecherin anrufen. Was ich am Beginn jeder Plenarsitzung tue. Der Erfolg kann nur besser werden. Mit dem Anrufen der Heiligen Barbara klappt‘s jedenfalls nicht, das habe ich schon probiert.
Wen die Gäste des Korruptions-Untersuchung-Ausschusses aller anrufen, wenn sie überhaupt kommen, weiß ich nicht. Vielleicht heißt´s da: „Heiliger Ernst, wos woar mei Leistung?“ Na hoffentlich gibt´s da endlich eine Antwort von oben.
Über die Telekom habe ich mich übrigens wirklich geärgert. Ehrlich! – Warum hat mir da niemand gesagt, dass da so viel Geld zu holen ist? Dabei hätte ich so viele Projekte.
Vorteile eines behinderten Politikers
Meine Damen und Herren,
Sie sehen: So ein Politikerleben ist nicht einfach. Dabei möchte ich mich gar nicht beschweren. Ich hab es persönlich in vielen Bereichen deutlich besser als andere:
– In der Früh werde ich gezogen und gedrückt – so muss ich mich nicht selbst größer machen als ich bin.
– Dann werde ich in meinen Sessel gesetzt. Ich muss im Gegensatz zu anderen Politikern nicht aufpassen, dass sich jemand in meinen Sessel setzt. An meinem Sessel zu sägen, ist außerdem zwecklos. Der hat keine Beine, sondern Rollen.
– Meine Assistentin dichtet mein Tracheostoma mit Wattestäbchen ab, damit ich immer ganz dicht bin – das können auch nicht alle Anderen von sich behaupten.
– Und nach Abstimmungen kann ich immer sagen: Ich habe da gar nicht die Hand gehoben. Meine Assistentin hebt nämlich für mich ihre Hand.
– Und meine Hand aufhalten kann ich ohnehin nicht.
Fassen wir also zusammen: Langer Atem, vollkommen dicht, nicht zu bestechen. So gehe ich ins politische Jahr 2012. Ich lade Sie ein: Kommen Sie mit. Bringen wir Wind in die Politik. Rückenwind, wo er wichtig ist. Gegenwind, wo er nötig ist. Nur Windstille wird mit uns jedenfalls nicht herrschen.