14.01.: Es gibt für Kinder doch nichts Schöneres als einen Schneemann bauen, rodeln, Schneebälle werfen oder jemand anderen mit Schnee einreiben… Das sind die großen Kinderfreuden im Winter. Elias hat mit Interesse von der Balkontür aus die fallenden Schneeflocken beobachtet und war ganz aufgeregt. Als genug Schnee gefallen war, ging Judit mit ihm rodeln. Doch plötzlich weinte er bitterlich. Was war passiert? Die Stiefel ragten in den Schnee und durch das Fahren waren sie voll Schnee. Da bemerkten wir erst, dass Elias vor dem Schnee richtig Angst hat. Beim Spazieren wählt er die fein säuberlich ausgeschöpften Gehwege, kommt plötzlich ein kleiner Schneehaufen, bleibt er stehen und weigert sich, einen Schritt weiter zu machen. Wenn Judit ihn darüber hebt, marschiert er eifrig weiter. Es ist schon eigenartig und lustig, wie Kinder unterschiedlich reagieren. Des einen Freud, des anderen Leid. Vielleicht ist das Verhalten von Elias auch eine Solidaritätserklärung an seinen Papa. Auch ich meide Schnee.
20.01.: Gestern war ein Samstag wie fast jeder andere. Acht Uhr aufwecken, umlagern, Beatmungsgerät abstecken, in die Dusche rollen, rasieren, das Gerät wieder auf dem Rollstuhl montieren, anziehen, durchbewegen, Transfer in den Rollstuhl. Üblicherweise kommt dann das Frühstück, wozu gestern aber keine Zeit war, denn wir mussten um 10.30 in die Kirche fahren: Katharina hatte zur Vorbereitung der Erstkommunion eine „Tauferneuerung“.
Dabei geben die Kinder das Taufversprechen ab, das bei der Taufe die Taufpaten für das Baby getan haben. Eine schöne kirchliche Feier und ich ahnte noch nichts Böses…
Danach luden Judit und ich zu einem Mittagessen in ein Restaurant ein. Ich genoss die köstlichen Calamari und beachtete nur am Rande mein ständig piepsendes Beatmungsgerät. Wahrscheinlich aß ich zu genüsslich, sodass zu viel Luft durch die entcuffte Kanüle entströmte, deutete ich die Warnsignale meiner Maschine zwischen 13.00 und 14.00. Ich achtete nicht weiter darauf und ahnte noch immer nichts Böses.
Plötzlich tippte mir Katharina auf die rechte Hand und sagte: „Papa, weißt du, warum die Beatmungsmaschine immer piepst? Sie ist nicht angesteckt.“ Ich glaubte ihr zuerst nicht, da doch das Kabel der Beatmungsmaschine – wie auch in der Kirche – am Verlängerungskabel und dieses in der Steckdose steckte. Auch meine Assistentin wollte es nicht glauben. Da zeigte ihr Katharina die Anzeige des Gerätes, die sie vorher aufmerksam beobachtet hatte. Und tatsächlich: Die Beatmungsmaschine bekam keinen externen Strom. Es stellte sich heraus, dass die Assistentin nach dem Duschen vergessen hatte, das Stromkabel auch in die Beatmungsmaschine zu stecken. Also war das Gerät von 8.00 bis 14.00 ohne Strom. Sechs Stunden sind so ziemlich das Limit der Batterien und darum hatte die Maschine so heftig alarmiert: Sie kämpfte einfach um mein Weiterleben. So war der gestrige Tag auch ein bisschen meine Tauferneuerung!
Toll, wenn man so eine große und aufmerksame Tochter hat!
01.02.: Früh übt sich…! Elias sagt beim Essen nicht nur „hmm, lecker!“, sondern er wäscht auch nach dem Essen seinen Teller alleine ab. Eine Tätigkeit, die er wirklich liebt. Zwar ist danach der Teller noch immer schmutzig, dafür aber die ganze Küche nass. Aber man darf ihm diese Freude nicht nehmen. Hoffentlich hält sie noch über viele Jahre an…
06.02.: Irgendwie war es gestern wie zu Frühlingsbeginn, wenn die Zugvögel einfliegen und es in der Natur wieder lebhaft zwitschert. Die Türe ging auf und meine Family stürmte nach einer Woche Schi-Urlaub herein. Die Stille war gebrochen, der Alltag wieder eingezogen. Von einem Moment auf den anderen war der Puls des Lebens wieder hautnah spürbar.
Ich musste dabei an den Besuch einer Hebamme bei mir für ein Interview denken. Wir hatten uns für die Mittagszeit (14 Uhr) vereinbart. Sie erzählte mir dann, dass sie schon früher in der Nähe war, aber nicht zu läuten wagte, weil sie dachte: „Der Schriftsteller hält sicherlich einen Mittagsschlaf“. Tatsächlich fand sie eine Wohnung voller Leben vor: Katharina hatte eine Freundin auf Besuch, Elias spielte im Gitterbett, die Schwester von Judit aß bei uns zu Mittag, dann war da noch die Assistentin und meine parlamentarische Mitarbeiterin. Judit kam etwas später und war der Punkt auf dem i. Das hatte sich die Hebamme nicht erwartet 🙂
15.02.: Was spielen wir zu Katharinas Geburtstag? Vergangenen Donnerstag hatte Katharina Geburtstag. Eingeladen waren für Samstag 15 beste Freundinnen, zum Glück hatten nur 12 Zeit. Eine big Party war angesagt. Doch mit welchen Spielen sollten wir die kleinen, lebendigen Gäste unterhalten? Reise nach Jerusalem – fad! Eine Tafel Schokolade mit Messer und Gabel essen – ur fad! Topfschlagen – mega fad! Wir fragten Katharina, ob sie einen Vorschlag hat. Sie hatte einen: Das Spiel hieß „der Metzger“. Ein Kind spielt den Metzger und die anderen die Würstchen. Der Metzger geht von Würstchen zu Würstchen. Wenn er kommt, stehen alle ganz stramm, sodass der Metzger leicht ein Stück runter schneiden kann. Zum Beispiel einen Arm, ein Bein, beide Beine… Entsprechend verändern sich die Würstchen und liegen zuletzt fein säuberlich am Boden. Ehrlich gesagt, haben wir den Witz dieses Spiels nicht verstanden. Und wir haben es auch nicht gespielt!
16.02.: Die Apfelschale. Elias liebt Äpfel. Nur die Schale spuckt er immer aus. Eigentlich isst er den Apfel im Arm von Mama und dann spuckt er ihr den Schalenrest direkt in die freie Hand. Sie weiß dann nicht, wohin damit und isst es. Vorgestern hatte jedoch Judit in beiden Händen etwas. In einem Arm hielt sie sowieso Elias und im anderen Arm hielt sie ein Glas Wasser. Elias wusste nicht, wohin mit der Schale. Doch unser Söhnchen hatte eine grandiose Idee – da gibt es doch eine Abkürzung: Er platzierte die Schale auf seiner Zungenspitze und schob so den blöden Schalenrest direkt in Mamas Mund. Sehr clever unser Söhnchen. Ob es der Mama geschmeckt hat, weiß man nicht so genau. Aber Müttern schmeckt doch alles von ihren Kindern!
20.02.: Katharina ist eine richtige Leserate. Neulich war sie bereits um halb sechs Uhr aufgewacht und hatte ihr neues Buch zu lesen begonnen. Kurz nach sieben Uhr – Zeit zum Schule gehen – schlug sie das Buch zu, sie hatte es fertig gelesen. Was liest unsere Tochter so? Mädchen-Romane, Tiergeschichten und ganz beliebt sind Aufklärungsbücher, die sie von der Bibliothek geholt hatte. Sie liest die Texte still und sagt uns Eltern nichts dazu. Doch von einer Assistentin bekamen wir die Geschichte zu hören, die ihr Katharina vertraulich erzählt hatte: „Stell dir vor, ich hab dem Leonhard erzählt, wie ein Kind entsteht und er wollte das einfach nicht glauben. Der soll einfach mehr lesen, dann weiß er auch, dass Babys im Bauch der Mama heranwachsen. Und wenn sie groß genug sind, aus dem Bauch heraus schlüpfen. Aber der Leonhard liest einfach nichts“
28.02.: Alles begann vorletzte Woche ziemlich harmlos: Katharina kam nach Hause und berichtete, dass ihre Lehrerin krank sei. Im Laufe der Woche fehlten immer mehr SchülerInnen der Klasse, bis es am Mittwoch dieser Woche Katharina erwischte und sie zuhause bleiben musste. Fieber, starker Brechreiz, Durchfall waren die Symptome, die wir bald gut kennen lernen sollten.
Am Donnerstag war auch Judith krank im Bett. Bereits am Mittwoch war ein Plenartag und ich fühlte mich furchtbar schlecht. Aber meine erste Rede im Plenum wollte ich nicht verpassen und so raffte ich meine letzte Kraft zusammen und sprach zum Thema „Behindertes Kind als Schadensfall“. Bei der Rede ging es mir äußerst schlecht. Immer wieder musste ich absetzen, Kraft schöpfen, um die richtigen Worte laut hervorzubringen. Am Donnerstag war ich so müde, dass ich etwas länger schlafen musste. Ich führte es auf die Erschöpfung des Vortages zurück.
Donnerstag Nachmittag brach die Epidemie voll aus: Die Morgenassistentin wurde im Parlament bei einer Besprechung plötzlich kreideweiß, musste erbrechen und legte sich erschöpft auf ein Sofa. Auch ich bekam heftigen Brechreiz und konnte mich kaum noch konzentrieren. Zum Glück kam um 15 Uhr die Assistentin-Ablöse. Doch auch die neue Assistentin wurde eine Stunde später kreidebleich, rannte entsetzt aufs Klo. Der Virus hatte zugeschlagen. Ich rief die anderen Assistentinnen durch, ob sie einspringen können. Dabei stellte sich heraus, dass weitere drei Assistentinnen krank im Bett waren. Eine noch gesunde Assistentin konnte jedoch kommen.
Die kleinen Viren hatten unser ganzes System ziemlich zum Wackeln gebracht.
Übrigens bekam ich heute noch ein SMS von einer Assistentin, die Freitag und Samstag eingesprungen ist. Sie liegt jetzt auch im Bett und schrieb: „Lieber Franz-Joseph, ob Du es glaubst oder nicht, mich hat’s jetzt auch erwischt. Mir ist schlecht und ich hab Durchfall. Is wohl nix mit den nächsten zwei Wochen Dienst.“