01.12.: Letzte Woche hat Katharina sich zum Tisch gesetzt und einen Brief an das Christkind geschrieben. Sie würde es gerne einmal sehen und fragte es, ob das Christkind das auch möchte. Zum Ankreuzen gab es „ja“ oder „nein“. Bislang hat das Christkind noch nicht zurückgeschrieben. Die Spannung steigt von Tag zu Tag…

 

10.12.: Bei der ersten Adventfeier haben wir mit der ganzen Familie auf Elias angestoßen. Er ist jetzt zwei Jahre bei uns. Alle haben die Sektgläser erhoben und Elias, der grinsend am Tisch gesessen ist, zugeprostet. Elias verzog daraufhin das Gesicht und meinte: „Ich hab’ aber nix!“. Das war allen furchtbar peinlich und gleich bekam Elias zum Anstoßen ein Glas mit Kindersekt. Es ist schön zu sehen, wie er sich zu einer Persönlichkeit entwickelt. Er redet viel und kommentiert auch unser Familienleben mit lustigen Sprüchen. Als Opa vor Kurzem alleine mit ihm zu Hause war und nicht wusste, wie man seine Windel wechselt, gab Elias wertvolle Tipps: „Opa, nein!“, „Opa, anders!“. Und als es der Opa tatsächlich geschafft hatte, sagte Elias: „Da bin ich baff!“.

 

In der Caritas Messe bei der Kommunion gibt Pfarrer Tomas kleinen Kindern immer ein Kreuz auf die Stirn und eine Zitronenschnitte in die Hand. Elias kennt das Ritual und holt sich immer als einer der Ersten den Segen. Bei einer Messe im Advent schnabulierte Elias ein Säckchen mit Hirsebällchen. Das blieb nicht unbeobachtet. Bald kam ein Mädchen und wollte auch ein Hirsebällchen von Elias haben. Er nahm ein Hirsebällchen aus dem Sack, machte dem Mädchen damit ein Kreuz auf die Stirn und steckte ihr das Hirsebällchen in den Mund. Ein richtiger Elias-Hirsebällchen-Segen.

 

19.12.: Die letzten Sonntage sitzen wir immer um den leuchtenden Adventkranz und singen Weihnachtslieder. Katharina ist eine tolle und stimmgewaltige Sängerin. Zum Glück für ihren unmusikalischen Vater, dessen Brummen dann nicht so auffällt. Es ist schön, wie vor allem Judit und Katharina den Ton angeben. Wir sind stolz auf Katharina, beim letzten Elternsprechtag waren wir sogar ob des Lobes der LehrerInnen peinlich berührt. Am Tag der offenen Türe der Volksschule wurde sie ausgewählt, mit einer Klassenkollegin Eltern durch die Schule zu führen. Wobei der Direktor Wert darauf gelegt hat, dass sie nur die Wahrheit berichten und nicht Märchen erzählen. Wie er wohl auf so etwas kommt? Jetzt ist Katharina everybody´s darling in der Schule, weil sie heuer beim Krippenspiel Mutter Maria spielt. Nomen est omen, schließlich hat Katharina neben Anna auch den Zusatznamen Maria, wie sie immer betont.

 

26.12.: Weihnachten war für beide Kinder ein großes Erlebnis. Sie sind mit leuchtenden Augen vor dem Christbaum gestanden. Ganz klassisch! Es ist eine Freude zu sehen, wie beide Geschwister zusammengewachsen sind. Immer wenn Katharina weint, kommt Elias und gibt ihr ein Bussi. Er sagt: „Tschuldigung“, auch wenn er ihr Weinen gar nicht verursacht hat. Bei der Bescherung übermannte Elias die Müdigkeit. Alle Geschenke waren egal, er wollte nur ins Bett. Und das heißt etwas, denn sonst will er nie schlafen. Katharina packte hingegen euphorisch alle Geschenke der ganzen Familie aus. Ein paar Geschenke von der Wunschliste fanden sich unter dem Weihnachtsbaum: Nintendo-Spiel Super Mario, Heelys und ein gruseliges Werwolf-Kartenspiel. Elias schlief hingegen seelenruhig und träumte wohl vom Christkind. Pünktlich nach dem Weihnachtsessen wachte er auf. Sein erstes Geschenk, dass er auspackte, war das Tollste: Ein neuer Freund für Thomas. Ein Eisenbahn-Buch. Elias jubelte. Danach packte er seinen Holz-ICE mit Schienen und Tunnel und Bahnhof aus. Seitdem glaubt jeder Anrufer angesichts der ratternden Züge und pfeifenden Loks, dass wir mitten am Westbahnhof wohnen.

 

05.01.2011.: Am vergangenen Einkaufssamstag hat Katharina verkündet, dass sie zum Supermarkt einkaufen gehen möchte. Das erste Mal alleine. Sie hat eine Einkaufsliste mitgenommen. Zurückgekommen ist sie mit den Inhalten von zwei Einkaufslisten. Für sich hat sie eine Füllfeder gekauft, die sie dringend braucht. Was es nicht so alles im Supermarkt gibt!

 

Katharina ist jetzt schon eine selbstbewusste junge Schülerin. Bald wird sie neun Jahre alt sein. Als wir am Abend mit Judit die Geschichte mit dem Supermarkt sprachen, wurden wieder Erinnerungen in uns wach. Wir erinnerten uns an damals, als wir uns ein Kind wünschten.

 

Wir waren ein frisch verliebtes Ehepaar und uns fehlte nur noch eines zur Vollendung des Glücks: ein Kind. So sehr wir uns bemühten, es wollte nicht klappen. Sollten wir auf den Kinderwunsch verzichten? „Aber warum nicht ein Kind adoptieren?“, fragten wir uns und gingen frisch-fröhlich zum Jugendamt, in der Hoffnung, noch am selben Tag mit einem Kind zurückzukehren. Wir wurden jedoch jäh enttäuscht: Es gibt in Wien jährlich nur an die 30 Kinder, die zur Adoption freigegeben werden und gleichzeitig gibt es eine lange Liste von wartenden Eltern. 600 waren es damals, wir waren die Nummer 601.

 

Wir hielten aber an unserem Vorhaben fest und besuchten einen Vorbereitungskurs für Adoptionseltern. Dort spielten wir einmal die Rolle der abgebenden Mutter, dann der Sozialarbeiterin, dann des Kindes. Unsere eigene Rolle als angehende Adoptiveltern spielten wir am authentischesten. Wir lernten Babys baden und wickeln, wurden Ernährungsexperten und wussten am Ende des Kurses, wie man Pubertätsproblemen begegnet. Kurzum: Wir waren perfekte Eltern – aber ohne Kind.

 

Wir warteten das erste Jahr voll Hoffnung. Wir warteten das zweite Jahr voll Ärger. Wir warteten das dritte Jahr voll Resignation. Im vierten Jahr dachten wir gar nicht mehr daran, dass wir einen Antrag beim Jugendamt gestellt hatten. Als ich eines Mittwoch nachmittags um 17 Uhr gerade mein Büro im Unterrichtsministerium verlassen wollte, läutete das Telefon. Sollte ich nach Dienstschluss noch drangehen? Ich tat es natürlich und zu meiner Überraschung war es unsere Sozialarbeiterin, die mir verkündete: „Es gibt ein Kind für Sie…“. Dass es sich um ein Mädchen handelt, das vor zwei Tagen in einem Krankenhaus zur Welt gekommen ist und 3556 g wiegt, hörte ich schon gar nicht mehr. Mir stockte der Atem und es hatte mir die Sprache verschlagen. Am Freitag sollten wir das Mädchen sehen und übernehmen können. Gleich darauf rief ich meine Frau Judit an. Sie flüsterte ins Handy: „Muss es jetzt sein. Ich bin in einer Sitzung“. Ich sagte: „Ja, es muss jetzt sein! Das Jugendamt hat ein Kind für uns!“. Es knackste im Telefon und gleich darauf konnte ich Judit die ganze Geschichte erzählen.

 

Am Freitag standen wir aufgeregt im Schwesternzimmer des Franz-Josef Spitals. Ein Bettchen mit dem Namensschild Katharina war hereingerollt. Der Name wurde ihr von einer Hebamme provisorisch gegeben worden. Da wir uns schon immer eine Katharina gewünscht hatten, wussten wir, dass sie die Richtige ist und auch den passenden Namen hat. Katharina, unser Kind! Wir konnten unser Glück kaum glauben. Ein unsagbares Geschenk!

 

Von einem Tag auf den anderen hatten wir mit Katharina ein neues Familienmitglied. Zwar hatten wir lange Zeit darauf gewartet, aber es gab keine neun Monate mit einem absehbaren Ende. Wir mussten über das Wochenende alles für Katharina vorbereiten. Doch unsere Sorge war umsonst. Dass wir ein Baby bekommen hatten, machte in der Familie schnell die Runde und es läutete ständig an der Haustüre: Tante Ida brachte einen Stubenwagen, Tante Hemma schickte einen Koffer voll Gewand aus Vorarlberg, andere brachten Windeln, Schnuller, Fläschchenwärmer,… Wir nahmen alles dankbar entgegen. Schließlich kam noch Judits Mutter mit drei verschiedenen Fläschchen. Als wir sie fragend ansahen sagte sie: „Ich wusste ja nicht, welches Fläschchen Katharina gewöhnt ist“. Und tatsächlich verweigerte sie die ersten beiden Fläschchen und fühlte sich erst beim dritten Fläschchen mit dem passenden Schnulleraufsatz heimelig. Es war schön zu sehen, wie Katharina einen Platz inmitten unserer Familie fand. Und alle hatten mitgeholfen!