Weiterentwicklung der Behindertenanwaltschaft
Mit der Einführung der Behindertenanwaltschaft im Jahre 2006 wurde eine Institution geschaffen, um den Zielsetzungen des Behindertengleichstellungsgesetzes und später auch der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen zum Durchbruch zu verhelfen. Die bisherigen Behindertenanwälte haben sich sehr maßgeblich und konsequent dafür eingesetzt, dass bestehende Diskriminierungen und Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen reduziert worden sind. Diesen Weg möchte ich weiterverfolgen, denn ich bin überzeugt davon, dass die konkrete Hilfestellung im Einzelfall auf der einen Seite sowie das Aufdecken von strukturellen Mängeln und das Weiterentwickeln neuer Ideen auf der anderen Seite eine gute Strategie darstellt.
Sollte ich die Chance bekommen als Behindertenanwalt eingesetzt zu werden, würde ich für meine diesbezügliche Arbeit folgende grundsätzliche Zugänge wählen:
Empowerment als Haltung: Fokus auf das Potenzial und nicht auf Defizite von Menschen mit Behinderung, Menschen mit Behinderung sollen eigene Stärken erkennen und Herausforderungen annehmen, Individuelle Selbsthilfepotenziale stärken
Dialog als Methode: Präsenz an Ort und Stelle, Durchführung von Gleistellungsdialogen, Kontakt mit Ansprechpersonen in Länder und wichtigen Institutionen der Gesellschaft
Innovation als Anspruch: Innovative Lösungen für individuelle Problemstellungen, Mut neue Wege zu gehen vor Allem bei Bildung und Beschäftigung, Initiierung von innovativen Projekten
Teamgeist als Leitungsverständnis
Im Folgenden möchte ich aus den Aufgaben des Behindertenanwalts nach BBG §13b drei Tätigkeitsschwerpunkte herausgreifen, die ich für eine Weiterentwicklung der Behindertenanwaltschaft als wichtig erachte:
- Beratungstätigkeit
Um den Auftrag der Behindertenanwaltschaft zu verbessern bzw. gut wahrnehmen zu können, würde ich folgende neue Formate erproben.
- „Kollegiale Beratung“ als Tool: Menschen mit Behinderungen, bei denen sich die Suche nach einer zufriedenstellenden Lösung als sehr komplex erweist, soll das Tool der kollegialen Beratung angeboten werden. Andere behinderte Menschen, die in einer ähnlichen Situation waren, stellen sich in einem kollegialen Setting als BeraterInnen zur Verfügung. Dies wird zur „Hilfe durch Selbsthilfe“ und zum Empowerment von Menschen mit Behinderungen beitragen.
- Regelmäßige Online-Beratung: In den letzten Jahren hat sich durch die Situation der Corona-Pandemie der Umgang mit neuen Technologien stark verbessert, sodass Online-Beratungen zum Alltag geworden sind. Aufbauend auf den bisherigen Erfahrungen der Behindertenanwaltschaft mit diesen neuen Formaten sollen vermehrt Online-Beratungsangebote (z.B. persönliche Sprechstunden oder Sprechtage im gesamten Bundesgebiet) entwickelt werden.
- Austausch mit den bestehenden regionalen AnsprechpartnerInnen für behindertenspezifische Anliegen zu den Beratungsthemen Diskriminierungsvorfällen und Lösungsstrategien, die gefunden wurden und erfolgreich waren.
- Vernetzung und Zusammenarbeit
Behindertenpolitische Anliegen benötigen ein gemeinsames Vorgehen aller AkteurInnen und breite Bewusstseinsbildung. Dazu wird die Behindertenanwaltschaft als „Offenes Haus für Gleichstellung“ eine zentrale Vermittlungsrolle einnehmen.
- Jahresempfang: Treffen aller AkteurInnen und Stakeholder, insbesondere VertreterInnen aus Behindertenorganisationen, Politik und Behörden, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur. Der Jahresempfang soll der Vernetzung dienen und die politische und mediale Aufmerksamkeit auf die Anliegen von Menschen mit Behinderungen lenken.
- Gleichstellungsdialoge: Durch moderierte partizipative Lösungsprozesse zu spezifischen Themenstellungen, wie zum Beispiel Persönliche Assistenz, die Unterstützung von Eltern behinderter Kinder oder der Ausbau der schulischen Inklusion, sollen aktuelle und visionäre Anliegen von Menschen mit Behinderungen diskutiert und umgesetzt werden. Der fachliche Austausch zwischen PolitikerInnen, Behörden- und BehindertenvertreterInnen, Mitgliedern des Bundesbehindertenbeirates sowie Menschen mit Behinderungen aus der Bevölkerung wird das gegenseitige Verständnis fördern und eine Grundlage zur Ausarbeitung von Vorschlägen als Empfehlung an die Politik schaffen.
- Studien und Untersuchung: Die Durchführung von Studien und Untersuchungen zum Thema Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen wird innovative Best-Practice-Beispiele aus Österreich, aber auch aus anderen Ländern aufzeigen und damit zur Weiterentwicklung von neuen Wegen bei Beschäftigung, schulischer Inklusion, Barrierefreiheit und selbstbestimmtem Leben beitragen. Fragestellungen für die wissenschaftliche Forschung sowie Ergebnisse sollen evaluiert und zusammen mit BehindertenvertreterInnen präsentiert und diskutiert werden.
- Öffentlichkeitsarbeit
Die Behindertenanwaltschaft soll die Möglichkeiten der neuen Medien für die Öffentlichkeitsarbeit nutzen, um behindertenpolitische Themen verstärkt in den gesellschaftlichen Diskurs einzubringen. Dazu gehört neben der Weiterentwicklung der bestehenden Homepage als digitale Serviceeinrichtung für alle (leicht verständliche Sprache, Gebärdensprache, direkter Kontakt zum Behindertenanwalt etc.) auch die Sensibilisierung neuer Zielgruppen. Folgende Aktivitäten sind geplant:
- Jährliche Berichte: Die jährlichen Berichte des Behindertenanwaltes sollen greifbarer gemacht werden: Pressekonferenzen an jenen Orten, die das Anliegen darstellen. Ein Schwerpunkt in den Berichten soll auf positiven und motivierenden Beispielen liegen, möglichst aus allen Bundesländern, um eine breite Streuung des Interesses am Bericht zu erreichen. Die Jahresberichte sollten aber auch konkrete Vorschläge zur Verbesserung der strukturellen Rahmenbedingungen bringen, die etwa auch für die parlamentarischen Auseinandersetzungen eine hilfreiche Quelle sein sollten.
- Behindertenanwalt unterwegs: Als Behindertenanwalt werde ich selbstverständlichen bei ausgewählten Situationen oder zu bestimmten Anlässen in den Bundesländern unterwegs sein.
- Darstellung von Einzelfällen in TV- und Radio-Magazinen sowie Printmedien: In der ORF-Sendung „Bürgeranwalt“ sollen auch weiterhin regelmäßig Fälle der Behindertenanwaltschaft diskutiert werden. Ebenso sollen über den Ö1 Inklusionspodcast „Inklusion gehört gelebt“ spezielle Themen der Behindertenanwaltschaft berichtet werden. Eine regelmäßige Kolumne in einer österreichweiten Tageszeitung oder in einem audiovisuellen Medium wäre ein zusätzlich anzustrebendes, wirkungsvolles Sprachrohr für die Herausforderungen, aber auch Erfolgsgeschichten behinderter Menschen.
- Regelmäßiges Ethikfrühstück als Rahmen für einen Dialog zu bedenklichen gesellschaftlichen Entwicklungen unter Einbeziehung von SelbstvertreterInnen, Eltern, Wissenschaft, Forschung, Politik, NGOs und JournalistInnen.