Immanuel Kant formulierte bereits im 18. Jahrhundert in seinen Schriften zur Ethik den Begriff der Menschenwürde, wie er unter anderem Grundlage für die deutsche Bundsverfassung darstellt: „Der Mensch ehrt die Würde der Menschheit in seiner eigenen Person, hat Anspruch darauf, dass die Menschheit in seiner Person die Achtung der anderen Menschen erfährt und ist seinerseits dazu verpflichtet, die Menschheit im „Nächsten“ zu achten, eine prinzipiell gebotene Achtung des anderen Menschen, unabhängig von der Hochachtung, die bestimmte Menschen wegen Ihrer Handlungen, ihrer Stellung usw. genießen.“   Diese Menschenwürde wird weltweit täglich missachtet. In Guantanamo werden Menschen gefoltert und misshandelt ohne den Anspruch auf Rechtsverteidigung oder der Aussicht einem Richter vorgeführt zu werden. Kindersoldaten werden in Nigeria an der Front „verheizt“. China führt weltweit in der Statistik der Verhängung von Todesurteilen. Doch auch in Europa steht die Menschenwürde täglich auf dem Prüfstand: Der Menschenhandel speziell von Frauen blüht. Bei der deutschen Fußball-WM werden Boxen für 40.000 Prostituierte aus dem Osten aufgestellt. In Berlin wurde eine junge Mutter auf offener Straße von ihrem Bruder erschossen, weil sie einen zu westlichen Lebensstil führte. Auch die Beschneidung von Frauen oder ihre Zwangsverehelichung in jungen Jahren sind massive Angriffe auf die Menschenwürde. Unter dem Deckmantel die Würde des Lebens zu sichern und ein Sterben in Würde zu gewährleisten, wird in Wahrheit die Menschenwürde missachtet und in Frage gestellt. Unlängst war in der Presse ein sehr engagierter Beitrag über den niederländischen Arzt Eduard Verhagen zu lesen. Er fordert die aktive Tötung von unheilbar kranken oder behinderten Kleinkindern und Säuglingen. Die jetzt schon legale Möglichkeit der Euthanasie ab dem 12. Lebensjahr mit Einwilligung der Eltern ist ihm offenbar nicht weitreichend genug. Ein Blick in die Statistik der Niederlande gleich nach der Einführung des Euthanasiegesetzes zeigt, dass innerhalb eines Jahres bei 3800 Personen aktive Sterbehilfe oder ärztlich assistierter Suizid vorgenommen wurde. In den letzten Jahren wurde in 22 Fällen bereits aktive Sterbehilfe bei Säuglingen angewandt. Die Altersgrenzen scheinen beliebig verschiebbar. Szenenwechsel: Wenn man in Österreich erzählt, dass ein potentiell behindertes Kind bis zur Einleitung der Geburtswehen abgetrieben werden darf, stößt dies auf große Verwunderung und Unverständnis. Um diese Spätabtreibung möglichst risikolos durchzuführen, wird der Fötus bereits im Mutterleib mit Herzstich getötet. Dies alles legal und mit der Argumentation, Leid und ein unwertes Leben zu vermeiden. BehindertenvertreterInnen sehen dies jedoch anders.   Nicht von ungefähr gehen Menschen mit Behinderungen bei diesen Themen auf die Barrikaden. Sie wehren sich massiv gegen die aktive Sterbehilfe, weil sie in ihr einen Angriff auf ihr Lebensrecht sehen. Der nicht behinderte Mensch sieht im behinderten oft nur „ein Häufchen Elend“ auf vier Rädern und es findet sich niemand, der mit ihm tauschen wollte. Weil man sich ein solches Leben nie und nimmer glücklich und erfüllt vorstellen kann, wird es als minder bewertet. Ganz dramatisch wird es bei Menschen mit Mehrfach- und Lernbehinderungen (geistige Behinderung). Sie können auch nichts leisten, sich nicht für die Gesellschaft nützlich machen.

Peter Singer, ein Vertreter der utilitaristischen Philosophie will Personen erst dann eine Menschenwürde zuerkennen, wenn sie in der Lage sind, „sich als kontinuierliches mentales Subjekt zu betrachten.“ Nach Kant steht die Menschenwürde jedoch jedem Menschen ab Beginn des Lebens zu. Jeder Mensch hat eine schützens – und achtenswerte Würde, die ihm schon allein aufgrund seiner Existenz zusteht. Diese seine Würde ist unantastbar. In der jüdisch-christlichen Religion leitet sich diese Menschenwürde vom Gedanken der Gottebenbildlichkeit des Menschen ab. Vor Gott sind alle Menschen gleich. Daher ist es für das Zustehen von Menschenwürde egal, was der jeweilige Mensch leistet oder auch nicht, wo er geboren wurde, was er getan hat, wie er sein Leben gestaltet, etc. Unter Menschenwürde wird auch die Summe aller Grund- und Menschenrechte verstanden. Die Achtung und der Schutz der Menschenwürde zielen auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit ab.

Im Europäischen Verfassungsvertrag wird die Achtung der Menschenwürde als einer jener Werte genannt, auf die sich die Union gründet (Artikel I-2). Zahlreiche europäische Staaten haben die Menschwürde als Staatsziel definiert. Zufall oder nicht, die Niederlande, welche auch die Europäische Verfassung ablehnte, kennt diese Bestimmung in der Verfassung nicht. Auch in Österreich herrscht diesbezüglich ein Nachholbedarf. Zwar wurde im Konvent die Achtung und der Schutz der Menschenwürde vorgeschlagen, die gesamte Reform liegt jedoch auf politischem Eis. In einer immer pluralistischeren Gesellschaft sollte der Aufnahme der Menschenwürde ein hoher Stellenwert zukommen.