Rede EK-Sitzung 23.01.2015

Sehr geehrte Damen und Herren!

2001 haben wir hier im Parlament in einer Enquete das Thema „Sterben in Würde“ diskutiert. Der damals eingeschlagene Weg, von Palliativmedizin und Hospiz hat sich bewährt. Es ist der österreichische Weg und unsere Antwort auf die europaweite Sterbehilfe-Debatte.

Besonders am Lebensende haben Menschen oft unsägliche Angst vor Schmerzen,Leid und Einsamkeit. Sie haben Sorge, nicht mehr Herr der eigenen Lage zu sein und selbstbestimmt handeln zu können. Sie haben Sorge, alleine gelassen zu werden. Wir müssen das Leid bekämpfen, aber nicht den Leidenden. Wir müssen die Einsamkeit bekämpfen, aber nicht die Einsame. Wir müssen die Trauer bekämpfen, aber nicht die Trauernden. Wir müssen darüber reden, wie wir ein würdevolles Leben bis zuletzt ermöglichen können und nicht darüber, wie wir uns den unangenehmen und schweren Phasen im Leben am besten und vermeintlich einfachsten entziehen können.

Der ehemalige SPD Vorsitzende, Franz Müntefering, hat sich mit diesen schwierigen Lebensphasen auseinandersetzen müssen. In der Zeit outete er sich mit den Worten: „Ich habe mindestens zweimal aktive Sterbehilfe  geleistet – sehr aktiv sogar, bei meiner Mutter und bei meiner Frau: ich habe Hand gehalten, bin dabei gesessen, habe getröstet“. Meine Damen und Herren, das ist wirkliche Sterbe-hilfe! Nicht durch die Hand eines anderen zu sterben, sondern an der Hand eines anderen. Nicht töten, sondern beim Sterben begleiten.

Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht und das Verbot der eigenmächtigen Heilbehandlung – sprich der ärztlichen Anwendung von Therapien gegen den Willen des Patienten – sichern die Autonomie des Patienten. In der heutigen Enquete-Sitzung wurde aufgezeigt, wie die Instrumente der Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht entbürokratisiert und leichter zugänglich gemacht werden sollen. Besonders die Verbindung der beachtlichen Patientenverfügung mit der Vorsorgevollmacht sollte forciert werden. Es braucht eine bessere Aufklärung und Sensibilisierung der Ärztinnen und Ärzte, sodass im Falle des Falles auch tatsächlich nach Patientenverfügungen gefragt wird und diese eingehalten und befolgt werden. Schließt der Patient lebenserhaltende Maßnahmen für sich aus, so ist das vom behandelnden Arzt zu respektieren und dem Folge zu leisten. Die Patientenverfügung muss im Falle des Falles auch auffindbar sein, dazu braucht es ein zentrales Register oder dass die Patientenverfügung direkt auf der e-card abrufbar ist.

Ich möchte allen Bürger/innen danken, die zur parlamentarischen Enquete Stellungnahmen eingebracht haben: es sind fast 25.000, die meisten im Rahmen einer Bürgerinitiative, über 600 auf der Parlamentshomepage. Ich darf hier einige Beispiele zitieren:

Da ist bspw. Dr. Elisabeth Pittermann, die darauf hinweist, dass „die Äußerung: „Ich will nicht mehr leben“ fast immer ein Hilfeschrei ist – gemeint ist in erster Linie: so- unter diesen Umständen nicht.“

Da ist eine Gruppe von Pflegerinnen und Ärzten, die über 1000 Menschen in ihrer letzten Lebenszeit begleitet haben, und „auf die Wichtigeit hinweist dass jeder in seinem Menschsein bis zum ende wertgeschätzt wird und eine Stärkung der Hospiz- und Palliativversorgung benötigt.“

Oder eine Mutter, die von ihrem depressiven Sohn nichts hört, bis ihr die betroffene Sterbehilfe-Firma mittteilt, dass er tot ist.

Weiters teilt uns  eine Palliativ-Ärztin:„ich habe ich die Erfahrung gemacht, dass  die Menschen in Wirklichkeit danach schreien, zu spüren, dass es gut ist, dass es sie gibt.“

Oder eine Oberärztin an einer Krebsstation, die sagt, sie habe nie erlebt, dass ein Kind Sterbehilfe wollte und uns mitgibt: „Sterbehilfe an Kindern darf NIEMALS passieren!“

Oder ein Vater, der uns schreibt, dass dem Verlangen nach aktiver Sterbehilfe nicht rechtlicher Raum gegeben werden darf, da moralische „Einzelfälle bzw. Grenzfälle“ nicht als mögliches Minderheitenrecht für eine gesamtrechtliche Norm herangezogen werden dürfen.

Oder eine betreuende  Angehörige, die uns schreibt:  „Mir werden auch viele berührende Erfahrungen in der Sterbebegleitung geschenkt. Dies wünsche ich vielen Menschen, weil so eine tiefe Verbundenheit über den Tod hinaus wächst.“

Welcher Handlungsbedarf ist nach den Expertenanhörungen wichtig? Viele! So viele, dass hier nicht alle aufgezählt werden können. Besonders hervorstreichen möchte ich folgende drei Punkte:

1. Der flächendeckende Ausbau und die Vollversorgung durch Hospiz und Palliativmedizin sind finanziell sicherzustellen. Derzeit sind 50% des Deckungsgrades erreicht. Benötigt werden 18 Millionen Euro pro Jahr. Geschätzte 1.000 Kinder brauchen Hospiz, das muss vorrangig umgesetzt werden.  Das werden die größten Aufgaben für die Politik der nächsten beiden Jahre sein.

2. Eine Bundeshospizkoordination muss eingerichtet werden, um das Kompetenzwirrwarr zwischen Bund, Ländern, Gemeinden, Krankenkassen und Versicherungen in eine konstruktive und geordnete Zusammenarbeit überzuführen.

3. Ich unterstütze den Vorschlag von Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl  eine Staatszielbestimmung zu einem Sterben in Würde  durch Palliativmedizin und Hospiz verfassungsrechtlich zu verankern. Hier braucht es eine nachhaltige Absicherung! Um den Ausbau zu gewährleisten. Hingegen führt jede Türöffnung der bestehenden Rechtsschutzbestimmungen und des Schutzes vor der aktiven Sterbehilfe zu einem nicht mehr gut zu machenden Schaden und Rechtfertigungsdruck für alle alten, kranken und behinderten Menschen. Das wäre der Weg in die falsche Richtung.

Als Beispiel ist hier die bedenkliche Entwicklung in den Niederlanden anzuführen: Hier wurden Ausnahmefälle inzwischen zur Regel und das Kriterium einer tödlichen Krankheit ist längst nicht mehr das Ausschlaggebende. 3 % aller Niederländer sterben bereits durch eine Todesspritze eines Arztes. Für den niederländischen Ethiker Theo Boer, der neun Jahre lang in einer der fünf Prüfkommissionen für Sterbehilfe war, ist jetzt eine rote Linie erreicht. Er ist aus der Kommission ausgetreten und sagt, die Niederlande sind am falschen Weg. Daher begrüße ich das eindeutige committement der ExpertInnen der Enquete zur Palliativmedizin und Hospiz als österreichischen Weg. Des Sterbens an der Hand und nicht durch die Hand eines anderen.