Freaks around the world
Freaks sind oft ein wenig verrückt, stellen die Norm in Frage und geben durch ihr Leben Anderen so manches Rätsel auf. Welche Freaks leben in anderen Ländern? Wie gestalten sie ihr Leben und was haben sie für Geschichten zu erzählen? Unser Freak, Franz-Joseph Huainigg, rumpelt mit seinem Elektrorollstuhl und dem piepsenden Beatmungsgerät durch die Welt, um andere Freaks zu treffen und ihre Lebenssituation zu portraitieren. Hierbei entstehen tolle Geschichten, Fotos und Videos, die er gerne mit Euch teilen möchte: So let’s get freaky!
Es gibt das Konzept der Angst und das Konzept der Liebe
Ich bin Pablo Pineda mehrfach begegnet, aber leider nur im Kino und nicht im realen Leben. Als ich im Herbst vergangenen Jahres im Kino den kritischen Bildungsfilm „Alphabet“ sah, tauchte plötzlich Pablo Pineda auf der Leinwand auf. Der Spanier ist der erste Europäer mit Down-Syndrom, der ein Hochschulstudium absolviert hat. Das hat er vor allem seinem Professor Miguel-López Melero zu verdanken, der seine Fähigkeiten erkannte und förderte. Im Film „Alphabet“ plädiert Pablo mit der Aussage „für mich gibt es zwei Konzepte: Das Konzept der Angst und das Konzept der Liebe. Und wenn wir bis jetzt mit dem Konzept der Angst gelebt haben, wird es Zeit, dieses zu verlassen“ für eine grundlegend neue Bildungsstruktur, die nicht von den Defiziten ausgeht, sondern von Beziehung und den Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler. Pablo Pineda’s Lebensweg macht Mut für eine Gesellschaft der Vielfalt. Ich will mehr über diesen Mann wissen und frage bei meiner Kollegin Simone Fürnschuß nach. Die Autorin hat schon in mehreren Projekten mit mir zusammen gearbeitet und sie ist seit Jahren mit Pablo Pineda befreundet.
Simone Fürnschuß ÜBER PABLO PINEDA
Pablo Pineda irritiert. Viele fragen sich, wie jemand mit Down-Syndrom ein Hochschulstudium absolvieren konnte. Jemandem mit Down-Syndrom wird das nicht zugetraut. Die Leistung und Anerkennung muss wohl geschenkt sein. Wer ist Pablo Pineda? Was ist er für ein Mensch? Simone Fürnschuß, selbst Mutter eines Sohnes mit Down-Syndrom, schreibt über ihn: „Ich erlebte in Pablo einen Menschen, bei dem Warmherzigkeit und Intellekt in einer außergewöhnlich großen und wohltuenden Ausprägung zusammenfallen. Pablo meint, dass er sich bei seinem Studium mindestens ein Drittel mehr als seine Kommilitonen anstrengen musste und auch nicht alles beim ersten Mal geglückt ist. Sein schlussendlich erfolgreiches Abschneiden gelang ihm aber aus eigener Kraft und nicht dank zugedrückter Augen.“
Simone interviewt Pablo
Wie ging es dir als Kind?
Meine Schulkameraden mochten mich sehr gern und ich sie und wenn sich jemand mit mir anlegte, kamen sie sofort, um mich zu beschützen. Die Schulzeit war für mich die glücklichste Zeit. Damals sehnte ich mich nach nichts, ich hatte was ich wollte, Freundschaft.
Dein nun so bekanntes Beispiel als Universitätsabsolvent mit Down-Syndrom könnte aber doch auch die Gefahr bergen, dass Eltern glauben, nur wenn sie ihre Kinder mit Down-Syndrom auf die Uni bringen, ist ihre Erziehung und Förderung geglückt. Wie siehst du das?
Ich denke nicht, dass ich das Modell bin, dem es zu folgen gilt, denn bei Menschen mit Down-Syndrom gibt es wie bei allen anderen auch Unterschiede und jeder ist einzigartig, jeder kommt dorthin wo er hinkommt. Können wir alle Minister sein? Daher sage ich den Eltern, dass sie uns nicht überbewerten und auch nicht unterbewerten sollen, denn Ersteres zieht große Frustration bei den Eltern und den Kindern nach sich und Letzteres nimmt deinem Kind das Einzige, was ihm bleibt, das Selbstwertgefühl. Darum müssen diese Eltern realistisch bleiben und dürfen gleichzeitig nicht die Neugierde der Kinder eingrenzen. So wird das Kind so hoch hinaus kommen, wie es will.
Wie würdest du für dich ein erfülltes, glückliches Leben definieren, Pablo?
Für mich wäre ein glückliches Leben, es mit einer Frau zu teilen und eine Familie zu gründen, eine Arbeit zu haben und ein eigenes Haus, aber gleichzeitig auch weiterhin Sehnsüchte zu haben. Ein glückliches Leben ist nicht ein Leben ohne Sehnsüchte. Wenn ich Kinder hätte, würde ich sie gerne heranwachsen sehen, mit ihnen spielen, ihnen eine gute Ausbildung ermöglichen. Jemand ist nicht nur glücklich wenn er hat, was er hat und es sich bewahrt, sondern wenn er danach strebt, ein besserer Mensch zu sein, besser gerüstet für die Gesellschaft, in der wir leben.
Wer ist Pablo Pineda?
Pablo Pineda Ferrer wurde 1974 als jüngster von drei Brüdern in Málaga geboren ist Schauspieler und der erste Europäer mit Down-Syndrom, der einen Hochschulabschluss machen konnte. Pineda Ferrer selbst erfuhr erst mit sieben Jahren durch den Universitätsprofessor Miguel-López Melero von seinem Down-Syndrom. Im Film „Yó, también“ spielt Pineda Ferrer in der Rolle des Daniel seine frei erzählte Lebensgeschichte im Kampf um Normalität. Für seine schauspielerische Leistung wurde er beim Filmfestival von San Sebastian 2009 als bester Schauspieler mit der Silbernen Muschel ausgezeichnet. Er ist als Vortragender in aller Welt unterwegs. 2013 erschien sein Buch „El reto de aprender“ („die Herausforderung zu Lernen“).
Der Autor Franz-Joseph Huainigg ist Sprecher für Menschen mit Behinderung und Entwicklungszusammenarbeit der ÖVP und Abgeordneter zum Nationalrat.
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