Auf der Kinoleinwand Wohlbekanntes: Der ab dem Hals gelähmte Ramón liegt mit zusammen gekrampften Fingern im Bett und wird zur Seite gelagert. Ein Stückchen rechts, ein bisschen links, nein doch wieder ein wenig nach oben … Ich muss lächeln. Die richtige Stellung zu finden ist schwierig und bringt auch bei mir fast täglich die persönlichen Assistentinnen an ihre Grenzen. Ramón liegt mit einem Lächeln auf den Lippen im Bett und verlangt Hilfe beim Sterben. Warum er denn immer lächelt, wird er gefragt. „Ich lache Tränen“, antwortet der behinderte Schriftsteller, der sein Leben als unwürdig bezeichnet und jegliches Hilfsmittel wie beispielsweise einen Rollstuhl ablehnt. „Nehme ich den Rollstuhl an, nehme ich das Leben an“, argumentiert er. Der emotionalisierte Sterbewunsch wird dem bürokratischen Justizverfahren gegenüber gestellt. Unverständnis gegenüber den Richtern und dem Staat, welche aktive Sterbehilfe untersagen, bleiben so beim Popcorn-essenden Publikum übrig. Abspann. Das Licht im Kinosaal geht an, um mich herum lauter mitleidige Blicke und innere Beklommenheit macht sich in mir breit: „Hey, Leute“, bin ich in meinem Rollstuhl versucht zu rufen, „ich lebe gerne!“ Und wer mich dann verwundert angesprochen hätte, dem hätte ich erzählt, wie schwierig, aber auch wie spannend und wunderschön das Leben im Rollstuhl ist. Die Welt tief unten im Rollstuhl zu erleben mag vielen, wie Ramón, als unwürdig erscheinen. Doch hat das Leben der Arbeitslosen Rosa, die im Film von ihrem Mann verlassen wurde und zwei Kinder alleine aufzieht, mehr Würde? Wo beginnt die Würde, wo hört sie auf? Terri Schiavo ist tot. Das öffentliche Sterben wurde zum Medien- und Politspektakel. Wie lange kann ein Mensch ohne Nahrung und Wasser überleben, fragte sich so mancher. Bei News-online konnten die Besucher direkt per Mausklick abstimmen, ob das Leben von der Wachkomapatientin verlängert werden soll oder nicht. Hintergrundinformationen wie die Tatsache, dass Menschen im Wachkoma noch sehr vieles miterleben können, fehlten gänzlich. Drei Viertel aller Voter stimmten für das Todesurteil. Ein Leben als behinderter Mensch wurde Terri Schiavo nicht zugemutet, sehr wohl aber ein würdeloses Sterben. Verhungern und verdursten, nur weil sie behindert ist, und dies ausgerechnet in einem Land des Überflusses, wo eine der größten Gesundheitsgefährdungen die Fettleibigkeit ist. Unwissenheit und Vorurteile prägen die Meinungen über das Leben behinderter Menschen. Terri Schiavo soll einmal selbst gesagt haben, sie „wolle in einem solchen Zustand nicht am Leben gehalten werden.“ Derartige Aussagen relativieren sich jedoch oft sehr rasch, wenn ein schmerzfreies und menschenwürdiges Leben ermöglicht wird. Soll der Staat aktive Sterbehilfe legalisieren? Bannbrechend zeigten sich die Niederlande und Belgien. Als Beweggründe gaben in Holland kranke und behinderte Menschen an, nicht länger leben zu wollen, um ihren Verwandten nicht zur Last zu fallen. Solche Motive allein schon und die Folgen sind fatal: Ein Blick in die Statistik der Niederlande aus dem Jahr 2001 zeigt, dass bei ca. 900 von 3800 Personen aktive Sterbehilfe oder ärztlich assistierter Suizid ohne deren ausdrücklichen Wunsch vorgenommen wurde. Ein einmal in Gang gesetztes Euthanasieverfahren ist erfahrungsgemäß für den Betroffenen schwer abzubrechen, da er plötzlich umgekehrt argumentieren muss, warum er überhaupt am Leben bleiben möchte. In den Niederlanden ist aktive Sterbehilfe bereits ab 12 Jahren mit Einwilligung der Eltern erlaubt. Neuerdings wird eine Erweiterung der Legalisierung von aktiver Sterbehilfe an Neugeborenen mit unheilbarer Krankheit gefordert. In 22 Fällen wurde in den letzten Jahren aktive Sterbehilfe auch schon geleistet. Die Grenzen scheinen beliebig verschiebbar. Bereits im Dritten Reich wurde die „Vernichtung lebensunwerten Lebens“ für geborene behinderte Kinder und ungeborene Kinder von erbkranken Eltern als Akt des „Gnadentodes“ durchgeführt. Aktive Sterbehilfe und auch die Beihilfe zum Suizid wird in Österreich parteiübergreifend abgelehnt. Sterbebegleitung und Hospizbetreuung sollen ein würdiges Sterben und Lebensqualität bis zuletzt sichern. Die aktive Sterbehilfe und die Beihilfe zum Suizid sind abzulehne n, ebenso darf ein offensichtlicher Sterbevorgang.nicht gegen den Willen des Betroffenen durch lebenserhaltende Therapien künstlich in die Länge gezogen werden, so das zu unterstreichende Bekenntnis von Caritas Präsident Küberl. Ministerin Maria Rauch-Kallat arbeitet deshalb an einer Rechtsgrundlage für Patientenverfügungen, um die Patientenautonomie in dieser Frage zu stärken. Politisch muss die eugenische Indikation als Ausnahmeregelung zur Fristenlösung hinterfragt werden. Während die Abtreibung nicht behinderter Föten bis zum dritten Monat straffrei gestellt ist, ist die Tötung eines Embryo, bei dem nur eine „ernste Gefahr“ einer Behinderung besteht, bis zur Einleitung des Geburtsvorgangs erlaubt. Ab der 12. Lebenswoche ist laut Prof. Huber nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen das Nervensystem wie bei einem erwachsenen Menschen ausgeprägt und ab der 22. Woche ist die Lebensfähigkeit gegeben. Daher wird der Fötus durch Fetozid (Herzstich) im Mutterlaib getötet oder das Kind nach der Geburt nicht medizinisch versorgt. Ein Zustand, der in Zeiten von Gleichstellungsgesetz und Integration nicht haltbar ist. Es gibt kein Recht auf ein gesundes Kind. Die Vision eines behindertenfreien Lebens ist menschenverachtend, weil sie umgekehrt impliziert, das Menschen mit Behinderung kein Lebensrecht haben.
Mai 20, 2005
Kommentare von Josy