Die Kinder sitzen ganz gebannt da, wenn Smart Eze von seinen Erlebnissen und Begegnungen erzählt. Oft können sie garnicht glauben, dass er blind ist, da er sich an unglaublich viele Details erinnern kann. Smart Eze stammt ursprünglich aus Nigeria und erblindete im Biafrakrieg. Die Diagnose, dass er nie wieder sehen kann, bekam er in Wien, wo er später auch studierte. Nach seiner Promotion fand er zunächst keinen Job, nahm die Dinge aber selbst in die Hand und rief den damaligen Bundeskanzler Bruno Kreisky an, der ihn tatsächlich zu einem Gespräch einlud und ihm riet, sich bei der UNO zu bewerben.

Wie erlebten Sie ihre Kindheit und Jugend in Nigeria?

Meine Kindheit in Nigeria war geprägt von dem Wunsch Vieles zu erforschen und kennen zu lernen. Aber durch die schwierigen Lebensumstände in meiner Familie war es mir erst mit 8 Jahren möglich die Schule zu besuchen. Der Schulbesuch in Nigeria war und ist auch heute noch mit relativ hohen Kosten verbunden, man zahlt Schulgebühren und muss eine Schuluniform und Lehrbücher kaufen. Als junger Erwachsener war es mir durch die Hilfe von Verwandten möglich, eine Berufsausbildung zum Elektrotechniker zu machen. Leider konnte ich diesen Beruf nicht ausüben, da der Biafrakrieg ausbrach, in dem ich als Soldat eine schwere Verletzung erlitt, die zu meiner  völligen  Erblindung führte.

Wie ist die Situation von Menschen mit Behinderung in Nigeria? Wie hat sie sich über die Jahre verändert?

Die Situation behinderter Menschen in Nigeria ist extrem schwierig. Es beginnt schon mit der negativen Einstellung von nicht-behinderten Menschen. Ablehnung und Ausgrenzung sind die Folge. Manche Menschen sehen Behinderung als Strafe Gottes. Es gibt fast keine Einrichtungen in denen behinderte Menschen unterstützt und gefördert werden. Eine Blindenschule wurde erst vor einigen Jahren errichtet. Es gibt auch keine gesetzliche Grundlage um behinderte Menschen nachhaltig zu unterstützen.

Wie wurden Sie beim Studium in Österreich von Ihren Mitstudent/innen aufgenommen?

Meine Studienkolleg/innen waren hilfsbereit. Etliche von ihnen lasen mir ganze Bücher auf Tonband. Zur Zeit meines Studiums waren die technischen Hilfsmittel für Blinde noch nicht so entwickelt wie heute. Es gab noch keine sprechenden Computer und papierlose Computerbraillzeilen, mit denen man das Geschriebene kontrollieren konnte.  Meine Professor/innen erlaubten mir nach anfänglicher Ablehnung und Zögern, ihre Vorlesungen auf Tonband aufzunehmen, die ich dann zu Hause durcharbeiten konnte.

Wie fanden Sie einen Job? Haben Sie Tipps für behinderte Menschen, die auch einen Job suchen?

Das wichtigste beim Jobsuchen für einen behinderten Menschen ist, sich nicht entmutigen zu lassen und auch den Mut zu haben, ungewöhnliche Wege zu gehen. Nach meinem abgeschlossenen Studium der Philologie bot mir das Arbeitsamt Stellen an, die meiner Qualifikation bei Weitem nicht entsprachen. Ich ließ mich nicht entmutigen. Von einem Bekannten bekam ich den Rat, den damaligen Bundeskanzler Dr. Bruno Kreisky anzurufen. Sollte ich das wirklich wagen? Ich fasste Mut und rief an und erzählte ihm meine Geschichte. Durch seine Fürsprache bekam ich bei der UNO einen mir angemessenen Posten. Es bereitete mir große Freude, allen zu beweisen, meine Aufgaben bestens erfüllen zu können. In den 25 Jahren meiner Tätigkeit bei den Vereinten Nationen konnte ich weltweite Kontakte knüpfen und zeigen, dass auch ein Mensch mit einer Behinderung alle Anforderungen bewältigen kann.

Welche Geschichten erzählen sie den Kindern bei Ihren Schulbesuchen?

Die Märchen aus meiner Kultur. Über mein Leben als Kind in Afrika, dass sich ja deutlich von dem Leben der Kinder die jetzt hier aufwachsen unterscheidet. Ich erzähle auch den Kindern, wie ich mein Schicksal gemeistert habe. Außerdem berichte ich den Kindern über die Situation von Menschen mit Behinderung in Entwicklungsländern und über praktische Lebensfertigkeiten für blinde und sehbehinderte Menschen im Alltag. Ich habe auch meine Biographie mit dem Titel: “My four worlds” in Englisch publiziert. Ich arbeite gerade an der deutschen Version mit dem Titel: “Meine Vier Welten”, welche bald veröffentlicht wird.

Wer ist Smart Eze?

Geboren im Jahr 1945 in Nigeria, erblindete er im Biafrakrieg und wurde 1969 als einer von acht verwundeten Soldaten von Nigeria nach Österreich ausgeflogen. Er studierte in Wien und arbeitete danach bei der UNO, wo er als Experte international geschätzt wurde. Heute besucht er Schulklassen und erzählt Kindern und Jugendlichen von seinen Leben, Reisen und Begegnungen.