2006 war ich drei Wochen im künstlichen Tiefschlaf. Als ich aufwachte, wollte ich nur nach Hause. Das war natürlich nicht möglich, da ich noch medizinische Hilfe benötigte und auch niemand wusste, wie meine Beatmung zu Hause sicher gestellt werden kann. Doch zum Glück bekam ich einen Platz im RCU (Resperatorian Care Unit) im Otto-Wagner-Spital und das war wirklich ein Glücksfall. OA Dr. Sylvia Hartl war sehr bemüht, für mich Rahmenbedingungen zu schaffen, damit ich wieder zu Hause leben konnte. Zunächst wurde meine Frau Judit eingeschult, sie lernte die Atemkanüle absaugen, wie das Beatmungsgerät funktioniert, welche Notfälle auftreten können und wie man diese Probleme löst. Es gab einen genauen Einschulungsplan mit Prüfungen, die Krankenschwestern oder sogar Ärzte abnahmen.
Lebhaft ist Judit noch der erste Kanülewechsel in Erinnerung, den sie selbst durchgeführt hatte. Vier Ärzte standen rund um das Bett und sahen ihr auf die Finger, die zum Glück nur leicht zitterten. Zuletzt hatte Judit das nötige Know-How gesammelt, um mich zu Hause versorgen zu können. Eine große Aufgabe. Zum Glück ist Judit eine starke und mutige Frau, denn es ist schon eine große Verantwortung, einen beatmeten Angehörigen zu Hause zu versorgen. Gerade am Anfang, wenn man noch nicht weiß, wie es funktionieren kann oder welche Probleme auftreten können. Theorie ist das eine, Praxis das andere.
Ich bin ihr sehr dankbar, besonders für diese mutige Anfangszeit. Der Übergang vom Krankenhaus nach Hause bräuchte meiner Meinung nach mehr Unterstützung von professionellen Hilfskräften. Das Otto-Wagner-Spital war perfekt in der Vorbereitung, aber wir suchten für die ersten Wochen eine diplomierte Krankenschwester, die uns zu Hause begleitet. Es fand sich aber niemand. Schließlich ging es auch um die Verantwortung, die keine Pflegefachkraft übernehmen wollte. Es hieß von einer Krankenschwester, dass sie nur arbeitet, wenn auch meine Frau als pflegende Angehörige anwesend ist. Na super, das wäre nur eine sehr beschränkte Entlastung gewesen.
Eine Krankenschwester aus dem Otto-Wagner-Spital erklärte sich bereit, zum ersten Kanülewechsel zu uns nach Hause zu kommen. Das war ein tolles Angebot, das wir natürlich in Anspruch nahmen. Wir brauchten ein Sicherheitsnetz, gerade in Situationen wo wir noch zu wenig Erfahrungen gesammelt hatten. Der Unterschied zwischen Krankenhaus und zu Hause ist gewaltig. Bedeutend mehr Lebensqualität für mich als Betroffenen. Mehr Stress für meine Frau. Denn zu Hause gibt es keine Notfallglocke, wo man läutet und schon rauscht durch die Tür medizinisches Personal herein.
Zu Hause ist man auf sich alleine gestellt. Der Ambu-Beutel, unser mechanisches Beatmungsgerät lag immer griffbereit und wurde des Öfteren benötigt. Ich konnte auch noch nicht richtig sprechen und musste das lernen. Dazu kam zwei mal pro Woche eine Logopädin mit der ich Sprechen, Singen und Schlucken übte, denn ich konnte damals noch nicht richtig schlucken, damit war normales Essen abgeschrieben und ich wurde über eine Magensonde mit stinkender Flüssignahrung versorgt. Ich übte fleißig mit Pudding. Für einen halben Becher Dani+Sahne benötigte ich einen ganzen Tag. Heute nicht mehr.
Die Schnittstelle Krankenhaus – zu Hause muss verbessert werden, dass ist ein wichtiges politisches Anliegen von mir. Wir haben in Österreich zu wenig Pflegefachkräfte, für diesen Beruf müssen mehr Menschen gewonnen werden. Es ist aber auch wichtig, dass diplomierte Pflegefachkräfte Anleitungskompetenzen erwerben. So können vor allem pflegende Angehörige wesentlich unterstützt werden. 80 Prozent aller pflegebedürftigen Menschen leben zu Hause und werden von den Angehörigen gepflegt. Ein Pflegeheim ist die letzte Lösung, da wirklich viel an Lebensqualität und Lebensperspektiven verloren gehen. Es geht darum, pflegende Angehörige besser zu unterstützen!